Behandlung von HSP
Alternative Behandlungsansätze
Es gibt verschiedene Ansätze, wie man Menschen mit HSP therapeutisch kann. In wie weit sich diese Behandlungsansätze tatsächlich als hilfreich erweisen, muss individuell getestet werden, da sich die HSP bei jedem Betroffenen anders auswirkt.
TENS
Die Transkutane (über die Haut gehende) Elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine Reizstromtherapie, die eine sanfte Schmerzbehandlung ganz ohne Medikamente ermöglicht.
Neben den durch die Spastik bedingten Muskelschmerzen lindert sie auch Schmerzen, die sich bei der HSP durch die „schiefe“ Körperhaltung und die dadurch bedingten Kompensationsmechanismen ergeben, nicht zuletzt auch solche, die durch die Fehlbelastung von Gelenken entstehen (z. B. Knie-, Hüft-, Rücken-, Kopfschmerzen). Das TENS-Gerät ist fast überall am Körper einsetzbar.
Wirkung auf das Schmerzsystem
Die Schmerzweiterleitung erfolgt über die aufsteigenden Nervenbahnen im Rückenmark. Nach der Kontrollschrankentheorie (Gate-Control-Theorie) von Melzack und Wall bestehen darüber hinaus neuronale Mechanismen im Hinterhorn des Rückenmarks, die den peripheren nozizeptiven (schmerzrelevanten) Input zum Gehirn steuern. Diese fungieren dabei als eine Art Tor, welche den Schmerzimpuls entweder verstärken oder abschwächen.
Durch die Reizstromtherapie werden gezielt die neuronalen Mechanismen im Hinterhorn des Rückenmarks angeregt, die die Schmerzweiterleitung an das Gehirn abschwächen. Zugleich bewirkt TENS eine vermehrte Ausschüttung körpereigener Opioidpeptide (z. B. Endorphine), welche die im Rückenmark eingehenden Schmerzreize noch zusätzlich unterdrücken.
Das Gute daran: TENS kann man so lange nutzen, bis die Schmerzen aufhören, zudem ist die Intensität je Anwendung steigerbar. Ab etwa 40 Minuten Behandlungsdauer ist mit einer Endorphin-Ausschüttung und somit noch länger anhaltenden Schmerzlinderung zu rechnen.
Der Unterschied zwischen TENS und EMS
TENS
TENS bedeutet: Transkutane Elektrische Nervenstimulation. Sie wirkt vor allem auf Nerven und wird in erster Linie zur Schmerzbehandlung eingesetzt.
EMS
Elektrische Muskelstimulation. Dabei werden Muskelzellen direkt durch elektrische Reize zur Kontraktion angeregt. Einsatzbereiche der EMS sind der gezielte Muskelaufbau, wie z. B. die Stimulation des Fußhebers. Die EMS kann aber auch als entspannende Reizstrom-Massage zu einer Linderung der Dranginkontinenz beitragen. Im Sport wird die EMS beispielsweise zur Behandlung von Muskelkater eingesetzt.
Chiropraktische Behandlung
Die Chiropraktik ist eine alternativmedizinische Behandlungsform, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen, die in ihrer modernen Form jedoch durch den Amerikaner Daniel David Palmer 1895 begründet wurde.
Dabei geht man von der Grundannahme aus, dass Nerven durch krankhafte Prozesse in ihrer unmittelbaren Umgebung irritiert und somit in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Klassisches Beispiel ist ein gestörtes Gelenkspiel der Wirbelkörper, wie es sich beispielsweise bei der HSP oftmals durch Fehlhaltung ergibt. Infolgedessen können Nerven an ihrer Austrittsstelle aus dem
Rückenmark komprimiert und somit blockiert werden. Je nach betroffenem Nerv und Ausmaß der Kompression kommt es zu unterschiedlichen Einschränkungen der Beweglichkeit oder bestimmter Organfunktionen.
Aufgabe der Chiropraktik ist es dann, die Ursache der Fehlfunktion zu finden und die Blockade durch gezielte Handgriffe zu lösen (griechisch: cheiro – Hand, praxis – Tätigkeit). Mithilfe dieser sogenannten Adjustierung soll der Druck auf Nervenbahnen gemindert werden, um so das Zusammenspiel von Nerven, Muskeln und Gelenken wieder zu normalisieren und Schmerzen zu lindern.
Osteopathie
Die Körperstrukturen, die am besten Auskunft über eventuelle Gewebespannungen geben können, sind die Faszien, dünne Bindegewebshüllen, die die einzelnen Körperteile und Organe umgeben und in ihrem Zusammenspiel eine große Körperfaszie bilden. Faszien verbinden auch solche Strukturen, die funktionell nichts miteinander zu tun haben, woraus sich unter anderem erklärt, weshalb Gewebespannungen an bestimmten Stellen auch zu Problemen in ganz anderen Körperbereichen führen können.
Nach dem Prinzip der Osteopathie kann jedes Körperteil und jedes Organ nur dann optimal funktionieren, wenn es sich frei bewegen kann. Ist die Beweglichkeit eingeschränkt, ergeben sich zunächst Gewebespannungen, aus denen letztlich Funktionsstörungen resultieren.
Ähnlich der Chiropraktik behandelt auch der Osteopath seine Patienten ausschließlich mit den Händen. Wesentlicher Ansatz des durch den amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still begründeten Diagnose- und Heilkonzepts ist, mithilfe der Hände die Grundspannung von Muskeln, Knochen und Gelenken zu ertasten und dabei eventuelle Bewegungseinschränkungen aufzuspüren.
Nach Ansicht der Osteopathie wirken sich Funktionsstörungen somit immer auf den gesamten Körper aus, weshalb der Patient nicht nur punktuell, sondern immer in seiner Gesamtheit untersucht und behandelt werden muss.
Ziel der Behandlung ist, die Bewegungseinschränkung aufzuheben oder zu ver-
bessern und durch die Wiederherstellung bzw. Steigerung der Beweglichkeit die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.
Bei HSP führt die Spastik zu einer Schwächung der Beinmuskeln und des Fußhebers. Durch Lösung der Verspannungen und gezieltes Krafttraining der Bein- und Rumpfmuskulatur wird die Körperhaltung verbessert, was eine Entlastung der Kniegelenke und Wirbelsäule sowie eine Entspannung der Hals-Nacken-Muskulatur zur Folge hat. Dies beugt Kniegelenkschäden, Bandscheibenvorfällen, Rückenschmerzen und Skoliose vor. Durch die stabilere Körperhaltung muss der HSP-Betroffene zudem weniger Kraft aufwenden, um seine Füße zu heben.
In Deutschland übernehmen daher auch einige der gesetzlichen Krankenkassen einen Teil der Behandlungskosten, Privatversicherte bekommen den Betrag zumeist komplett rückerstattet.
Aerobe Übungen
Aerobe Übungen wie Fahrradfahren, Handbiken für Rollstuhlfahrer, Gehen und Übungen im Wasser haben sich bei HSP als hilfreich erwiesen. Beispielsweise lässt sich mit sogenannten „Liege“-Fahrrädern die Bewegungsfähigkeit auch in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung noch deutlich verbessern, sodass Betroffene für längere Zeit ihre Wege ohne Rollstuhl bewältigen konnten. Ist das Fahrrad zusätzlich mit einem Elektromotor ausgestattet, erleichtert dies die Bewältigung längerer oder bergiger Strecken. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, Aufsteh-Hilfen und einen Stockhalter am Fahrrad anzubringen.
Therapeutische Hypnose
Wie die meisten chronischen Erkrankungen kann auch die HSP mit psychischen Begleitsymptomen wie Ängsten, Schlafstörungen, Schmerzen, Depressionen etc. einhergehen. Der persönliche Umgang mit der Erkrankung ist entscheidend für die Lebensqualität, die mentale Krankheitsbewältigung daher ein wichtiger Baustein in der Behandlung.
Hier kann die Hypnosetherapie hilfreiche Unterstützung sein. Unter Hypnose tritt das Unterbewusstsein in den Vordergrund, das Bewusstsein ruht. Ziel der Behandlung ist, den kritischen Faktor des Bewusstseins auszuschalten und neue Denkansätze zu aktivieren und zu etablieren, die bei der Bewältigung der Situation helfen und die gewünschten Veränderungen herbeiführen können.
Damit dies jedoch gelingt, ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem Therapeuten und dem Patienten unabdingbar. Nichts geschieht ohne Einwilligung des Klienten. Therapeut und Patient legen vorab gemeinsam die Behandlungsziele fest, um dann in einem abschließenden Gespräch zu überprüfen, inwieweit diese durch die Hypnosetherapie erreicht wurden.
Hippotherapie
Die Hippotherapie ist einer von vier Fachbereichen des therapeutischen Reitens. Sie wird vor allem bei Menschen mit neurologisch bedingten Bewegungsstörungen ergänzend zur physiotherapeutischen Behandlung durchgeführt. Ziel ist, das Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Stütz- und Bewegungsapparat zu verbessern.
Dabei macht sich die Hippotherapie die dreidimensionalen Schwingungsimpulse des Pferderückens zu Nutze, welche auf den Patienten einwirken. Muskelfunktionen oder Bewegungsabläufe wie das Gehen können so erhalten, verbessert oder wieder neu erlernt werden.
Die Kosten hierfür werden nicht oder nur mit Einzelfallentscheidungen von manchen Krankenkassen übernommen.
Von Herbst 2018 bis Frühjahr 2019 wurde in Baden-Württemberg eine Studie zum Thema Hippotherapie durchgeführt. WerGenaueres darüber erfahren möchte, findet dazu auf unserer Homepage unter dem Stichpunkt „Unterstützung – Projekte“ wissenswerte Informationen.
Akupunktur
Die Akupunktur ist eine uralte Form der Heilkunst und als solche Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Nach Vorstellung der TCM fließt die „Lebensenergie des Körpers“, das Qui, durch ein vernetztes System von Leitungsbahnen, auch Meridiane genannt, und ist an der Regulation sämtlicher Körperfunktionen beteiligt. Eine Störung des Energieflusses führt zu Erkrankungen. Durch Nadelstiche an bestimmten Punkten entlang der Meridiane kann das Qui aktiviert und der gestörte Energiefluss wieder in Gang gesetzt werden.
Eine Form der Akupunktur ist die koreanische Handakupunktur. Dabei werden Nadeln gezielt im Meridianverlauf von Handinnenfläche, Finger und Handrücken platziert, um energetische Blockaden zu lösen und damit den Körper bei der Heilung zu unterstützen.
Seit 2007 zahlen die gesetzlichen Krankenkassen bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule und des Kniegelenks die Kosten einer Akupunktur-Behandlung. Voraussetzung ist, dass der Betroffene seit mindestens sechs Monaten Schmerzen hat. Dann besteht Anspruch auf bis zu zehn Akupunktur-Sitzungen pro Krankheitsfall in maximal sechs Wochen. Jede Sitzung sollte dabei mindestens 30 Minuten dauern. Doch auch bei anderen Erkrankungen beteiligen sich viele Krankenkassen im Rahmen ihrer Bonusprogramme mit Zuschüssen zur jeweiligen Akupunktur-Behandlung.
Notiz am Rande
Zum Erfolg von alternativen Behandlungsansätzen gibt es unterschiedliche Erfahrungsberichte. Wissenschaftlich gestützte Untersuchungen für HSP-Betroffene liegen derzeit nicht vor. Wir raten daher dazu, verschiedene Alternativen für sich selbst auszuprobieren.