Ihr gutes Recht

Schwerbehinderten-Recht

Seit dem 1.1.2018 ist die Paragrafenfolge des SGB IX umgestaltet. Das Schwerbehindertenrecht, das für Arbeitgeber betroffener Personen besonders relevant ist, war bis zum 31.12.2017 Teil 2 des SGB IX und ist jetzt Teil 3. Das Gesetz geht inzwischen von einem geänderten Behindertenbegriff aus. Die zentrale Vorschrift zum Behinderungsbegriff wurde neu definiert. Wie schon die bisherige Regelung bezieht sich die Neufassung, das gesamte SGB IX, auf Menschen mit Behinderungen nach § 2 SGB IX. Die Neufassung der Vorschrift lautet:

„Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“

Neudefinition: Anpassung an die UN-Behindertenkonvention

Der neue § 2 SGB IX betont, dass materielle Bedingungen sowie gesellschaftliche Haltungen und Einstellungen in Wechselwirkung mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen eine gleichberechtigte Teilhabe verhindern können. Die Neudefinition wurde an die UN-Behindertenrechtskonvention angepasst. Sie soll klarstellen, dass sich die Behinderung erst durch die gestörte oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt offenbart.

Wie bisher auch ist eine Behinderung laut Gesetzgeber gegeben, wenn die jeweilige Person unter einer Beeinträchtigung leidet, die sich körperlich, seelisch oder geistig auswirkt (eigens aufgeführt sind nun auch Sinnesbeeinträchtigungen), untypisch für das Alter ist und länger als sechs Monate andauert.

Bundesteilhabegesetz 2018: Neudefinition „Behinderung“

Darüber hinaus spielt nun aber auch die Wechselwirkung zwischen der Person und ihrer Umwelt eine entscheidende Rolle für die Behinderung.

Wichtig: Die gesetzlichen Definitionen von Schwerbehinderung und Gleichstellung ändern sich durch die Neudefinition des Behindertenbegriffs nicht. Für das jeweilige Anerkennungsverfahren bleiben weiterhin die Arbeitsagenturen und Verwaltungen zuständig.

SGB IX: Neue Paragrafen-Reihung

Für Arbeitgeber, Inklusionsbeauftragte, Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung und alle, die mit dem SGB IX arbeiten, ist die vollständig geänderte Vorschriftenfolge im SGB IX zunächst eine Herausforderung.

Schwerbehinderten-Ausweis

Seit dem 1. Juli 2014 erhalten schwerbehinderte Menschen den Schwerbehindertenausweis als Plastikkarte im Bankkartenformat. Dieser kann bei der zuständigen Behörde beantragt werden. Sobald alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausstellung nachgewiesen und überprüft sind und ein Farbfoto (Passbildgröße) vorliegt, wird der Ausweis innerhalb von etwa fünf Wochen an die Berechtigten übersandt.

Durch sein Bankkartenformat, einen Hinweis in englischer Sprache und einen Aufdruck in Braille-Schrift ist der neue Ausweis nicht nur benutzerfreundlicher und internationaler, sondern kommt auch den besonderen Belangen blinder Menschen entgegen. Ein Umtauschzwang alter Ausweise (Ausstelldatum vor 2014) besteht nicht. Diese können bis Ende der Gültigkeitsdauer ohne Einschränkung verwendet werden. Danach ist eine Verlängerung nicht mehr möglich. Die Ausstellung der neuen Ausweise ist weiterhin gebührenfrei.

Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere der Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn Nachteilsausgleiche für schwerbehinderte Menschen beantragt oder in Anspruch genommen werden.

Nachteilsausgleich

Ab einem GdB von mindestens 20 erteilt die Behörde einen Feststellungsbescheid. Bei einem GdB zwischen 50 und 100 liegt eine Schwerbehinderung vor und man kann einen Ausweis beantragen. Die amtliche Feststellung von Behinderung und Grad der Behinderung sowie ggf. der ausgestellte Schwerbehindertenausweis sind Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, die nicht bei der zuständigen Behörde, sondern an anderer Stelle beantragt und genehmigt werden müssen. Dazu zählen z. B.:
  • Zusatzurlaub
  • Steuerermäßigung/-befreiung
  • Kfz-Steuerbefreiung bei Merkzeichen aG
  • Fahrten im öffentlichen Nahverkehr
  • unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr – auch für Begleitpersonen bei Merkzeichen B
  • Parkerleichterungen
  • Ermäßigung/Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, Ermäßigung von Telefongebühren
  • vergünstigte Eintrittspreise (z. B. bei Sport-/Kultur-Veranstaltungen)
  • Preisermäßigung/kostenlose Beförderung im Flugverkehr
  • Freibeträge beim Einkommen für den Bezug von Wohngeld
  • Gleichstellung als Schwerbehinderter (bei einem GdB von 30 oder 40)

Steuervergünstigung

Mit der Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) werden im deutschen Steuerrecht Härtefälle abgefedert. Zum Beispiel, weil Sie hohe Krankheitskosten, Unterhalt oder Pflegekosten für sich oder ein Familienmitglied zu tragen haben.

Diese Kosten lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen zum Teil in der Steuererklärung geltend machen. Dahinter steht der Gerechtigkeitsgrundsatz, dass die Menschen in Deutschland nach ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit besteuert werden sollen.
Hier finden Sie Tipps, wie Sie mit außergewöhnlichen Belastungen die meisten Steuern sparen, welche Aufwendungen das Finanzamt anerkennt und welche Voraussetzungen Sie einhalten müssen.
Als außergewöhnliche Belastung zählen beispielsweise die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung:

  • zu beantragen bei der gesetzlichen Krankenkasse
  • Kostenübernahme für alle medizinisch notwendigen Fahrten zur Behandlung
  • Voraussetzung: ein Schwerbehindertenausweis mit einem Merkzeichen aG, BL oder H
  • Der behandelnde Arzt (Hausarzt, Neurologe oder Orthopäde) muss diese Fahrten verordnen

Ist ein Mensch aufgrund seiner Behinderung auf ständige Begleitung (Merkzeichen B im Ausweis) angewiesen, sodass eine Urlaubsreise nur mit einer Begleitperson möglich ist, kann er die Mehrkosten für Fahrt, Verpflegung und Unterkunft für die Begleitperson in angemessener Höhe ebenfalls als außergewöhnliche Belastung absetzen.

Mit dem 1. Juli 2014 hat die Zollverwaltung die Kraftfahrzeugsteuer von den Finanzämtern übernommen. So wird die Kraftfahrzeugsteuer zwar vom Bund erhoben. Zuständig für die Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung ist jedoch die Zoll-Verwaltung. Welches Hauptzollamt Ihr Ansprechpartner für die Beantragung einer Kfz-Steuerermäßigung ist, erfahren Sie unter www.zoll.de/DE/Privatpersonen/Kraftfahrzeugsteuer/kraftfahrzeugsteuer_node.htm

Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G, Gl, aG oder H erfüllen die Voraussetzungen, um die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch zu nehmen. Dazu wird lediglich ein sogenanntes Beiblatt mit Wertmarke benötigt.

Letzteres kann gegen Entrichtung von 80 Euro (Nutzungsdauer: 1 Jahr) oder 40 Euro (Nutzungsdauer: ½ Jahr) erworben werden. Unter bestimmten Voraussetzungen (Merkzeichen H oder Bl, Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) ist das Beiblatt auch kostenlos zu beziehen.

Schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G oder Gl können alternativ die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen, solche mit Merkzeichen aG oder H haben Anspruch auf beides, also sowohl auf die unentgeltliche Beförderung als auch Kraftfahrzeugsteuer-Ermäßigung.

Die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen (Merkzeichen B) kann kostenlos mitfahren, und zwar sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr.

Das Parken auf den mit dem blauen Rollstuhl-Schild gekennzeichneten Parkplätzen ist nicht automatisch für jeden Menschen mit einem Schwerbehindertenhausweis erlaubt. In der Regel ist für den Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde und dem Ordnungsamt vor Ort ein Schwerbehindertenausweis mit folgenden Merkzeichen nötig:

  • aG (außergewöhnlich gehbehindert) oder
  • Bl (blind)

 

Der EU-einheitliche blaue Sonderparkausweis erlaubt das Parken

  • auf den Behindertenparkplätzen (Zusatzschild „Rollstuhlfahrersymbol“)
  • im eingeschränkten Halteverbot bis zu drei Stunden (nur bei Nicht-Verfügbarkeit freier Parkplätze in der Nähe)
  • an Halteverbot-Strecken (auf Antrag auch Genehmigung für längere Parkzeiten möglich), die Ankunftszeit muss sich aus der Einstellung auf einer Parkscheibe ergeben
  • mit Überschreiten der zugelassenen Parkdauer im Bereich eines Zonen-Halteverbot
  • an Stellen mit begrenzter Park-
    zeit über die zugelassene Zeit hinaus
  • in Fußgängerzonen während der Ladezeiten (Freigabe der Fußgängerzone für Be- und Entladen
  • auf Anwohner-Parkplätzen (bis zu drei Stunden)
  • an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten (ohne Gebühr/zeitliche Begrenzung)
  • in ausgewiesenen verkehrsberuhigten Bereichen (außerhalb der markierten Parkstände), soweit der übrige Verkehr (insbesondere der fließende Verkehr) nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. • Die höchstzulässige Parkzeit beträgt 24 Stunden (wenn nicht anders angegeben

Achtung: Auf Privatgelände (z. B. Supermärkte) können abweichende Regelungen gelten. Fragen Sie bitte jeweils vor Ort nach.

Hinweis: Am 1. Januar 2011 haben alle vor 2001 ausgegebenen Parkausweise für behinderte Menschen ihre Gültigkeit verloren. Seit 2011 ist das Parken auf Behindertenparkplätzen nur noch mit dem blauen EU-Parkausweis erlaubt.

Neben dem europaweit gültigen blauen Parkausweis gibt es als Ausnahmegenehmigung in Deutschland auch noch einen orangefarbenen Ausweis. Dieser berechtigt nicht zum Parken auf den ausgewiesenen Behindertenparkplätzen, bietet jedoch eine Reihe anderer Erleichterungen beim Parken.

Einen Anspruch haben schwerbehinderte Menschen

  • mit den Merkzeichen G und B und einem GdB von wenigstens 80 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken)
  • mit den Merkzeichen G und B und einem GdB von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) und gleichzeitig einem GdB von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane
  • mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 60 vorliegt
  • mit künstlichem Darmausgang und zugleich künstlicher Harnableitung, wenn hierfür ein GdB von wenigstens 70 vorliegt

Der orangefarbene Parkausweis erlaubt das Parken

  • im eingeschränkten Halteverbot (bis zu drei Stunden), die Ankunftszeit muss auf einer Parkscheibe eingestellt werden
  • im Zonenhalteverbot über die zugelassene Zeit hinaus
  • an ausgeschilderten, gekennzeichneten Parkplätzen über die zugelassene Zeit hinaus
  • in Fußgängerzonen während der Ladezeit (Freigabe für Be- und Entladen)
  • in gekennzeichneten, verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb der gekennzeichneten Flächen, ohne jedoch den durchgehenden Verkehr zu behindern
  • an Parkuhren und bei Parkscheinautomaten (ohne Gebühr/zeitlich unbegrenzt)
  • auf Anwohner-Parkplätzen (bis zu drei Stunden)
  • in Einzelfällen kostenlos auf Kundenparkplätzen an Bahnhöfen der Deutschen Bahn (DB)

Da es sich hier jedoch nicht um öffentlichen Verkehrsraum, sondern um Privatgelände der DB handelt, sollten sich Menschen mit Behinderung unbedingt vorab informieren.

Der amtliche blaue EU-Parkausweis oder die orangene Ausnahmegenehmigung muss gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe platziert werden. Ein Aufkleber mit Rollstuhlsymbol reicht ebenfalls nicht aus, um Behindertenparkplätze nutzen zu können. Keinesfalls darf der Parkausweis von Verwandten oder Bekannten verwendet werden, wenn die behinderte Person nicht als Beifahrer dabei ist. Neben dem kostenpflichtigen Abschleppen des Fahrzeugs droht bei unrechtmäßiger Verwendung des Parkausweises eine Klage wegen Missbrauchs von Ausweispapieren.

Öffentliche Toiletten für Menschen mit Schwerbehinderung gibt es europaweit. Nur gut, wer dann im richtigen Moment den Euroschlüssel zücken kann. Dieser berechtigt zur unentgeltlichen Nutzung behindertengerechter Toiletten.

Allein in Deutschland passt der Schlüssel zu etwa 10.000 stillen Örtchen, aber in der Mehrheit stellen Anbieter auch im europäischen Ausland zunehmend auf dieses nutzbringende System um.

Der Zugang zu entsprechend gekennzeichneten Toiletten in Einkaufzentren, auf Rastplätzen und Flughäfen sowie an anderen öffentlichen Orten bleibt allein Menschen mit Schwerbehinderung (oder ärztlichem Nachweis) vorbehalten. Nur sie können den Schlüssel gegen Vorlage des Schwerbehindertenausweises/ärztlichen Nachweises erwerben.

Den Euroschlüssel gibt es auf Initiative des Darmstädter Clubs Behinderter und ihrer Freunde e.V. (CBF, s. Seite 28) nun seit rund 27 Jahren.

Als nette/freundliche Toilette wird eine von Händlern bzw. Gastronomen zur kostenlosen öffentlichen Nutzung bereitgestellte Toilette bezeichnet. Dazu gehören auch „Rolli-Toiletten“.

Manche Menschen mit Behinderung müssen aufgrund ihrer Erkrankung die Wohnung umbauen lassen. In diesem Falle lohnt sich eine persönliche Beratung bei den über ganz Deutschland verteilten Wohnraum-Anpassungsberatungsstellen. Betroffene mit einem Pflegegrad können für die Umbaumaßnahmen einen Zuschuss in bestimmter Höhe beantragen. Außerdem bietet die Kreditbank für Wirtschaftsförderung (KfW) nicht nur Kredite, sondern auch Fördermaßnahmen für seniorengerechte Wohnraumgestaltung an.

Alle mobilitätseingeschränkten Autofahrer, die berufstätig sind, können von der Agentur für Arbeit oder der Deutschen Rentenversicherung einen Zuschuss für den PKW-Neukauf beantragen. Gleiches gilt für den rollstuhlgerechten Umbau oder den Einbau von Handgas/-bremse. Wichtig ist, dass zuvor ein Kostenvoranschlag bei der zuständigen Behörde eingereicht wird. Erst wenn dieser genehmigt ist, darf mit den Umbaumaßnahmen begonnen werden. Andernfalls kann die Kostenübernahme durch die Behörde unterbleiben.

Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht

Drei Instrumente stehen zur Verfügung, um in gesunden Tagen im Sinne der Selbstbestimmung schriftliche Willenserklärungen für den Fall einer späteren Einwilligungsunfähigkeit abgeben zu können:

Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Vorausverfügung einer Person für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr (wirksam) erklären kann. Sie bezieht sich auf medizinische Maßnahmen wie ärztliche Heileingriffe und steht meist im Zusammenhang mit der Verweigerung lebensverlängernder Maßnahmen.

Die Betreuungsverfügung ist eine Möglichkeit der persönlichen und selbstbestimmten Vorsorge für den Fall, dass man selbst nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu erledigen. Ihr Vorteil ist, dass sie nur dann Wirkungen entfaltet, wenn es tatsächlich erforderlich wird..

Anstelle der Betreuungsverfügung kann auch eine Vorsorgevollmacht ausgestellt werden. Damit bevollmächtigt eine Person eine andere Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte zum Vertreter im Willen, d. h., er entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers.

Bundesministeriums der Justiz

Patientenverfügung

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