Was ist "HSP"
Erläuterungen für Betroffene
Bei der HSP kommt es zu einem fortschreitenden und irreversiblen Funktionsverlust der motorischen Leitungsbahnen des Rückenmarks. Diese leiten normalerweise Impulse von der Hirnrinde zum Muskel. Die Folgen können eine unkontrolliert erhöhte Muskelspannung und damit einhergehende Muskelschwäche sein, die im Krankheitsverlauf zunehmen. Diese Symptomatik zeigt sich bei der HSP vor allem an den Beinen, kann manchmal auch die Arme sowie die Sprache miterfassen.
In Deutschland sind nach Schätzungen zwischen 6.000 bis 8.000 Menschen betroffen, damit gehört die HSP zu den seltenen Erkrankungen. Aktuell sind mehr als 200 Gene bekannt, welche die Erkrankung verursachen (Stand 06/2022).
Bei den meisten Betroffenen tritt die Krankheit im Alter von 30 bis 40 Jahren auf, es können aber auch Kinder und ältere Erwachsene erkranken. Bisher ist die HSP noch nicht heilbar, jedoch durch verschiedene symptomatische Therapien (Physiotherapie, Antispastika, Botox etc.) behandelbar.
HSP ist eine neurodegenerative Erkrankung mit etwa 200.000 Betroffenen.
Notiz am Rande
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Die Hereditäre Spastische Spinalparalyse (HSP) ist eine genetisch
bedingte Erkrankung.
Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus:
H = hereditär = vererbbar
(lateinisch: hereditas – Erbe)
S = Spastik = erhöhte Eigenspannung der Muskulatur
(griechisch: spasmos – Krampf)
P = (Spinal-)Paralyse = (vom Rückenmark ausgehende)
Muskelschwäche
(griechisch: Parálysis – Lähmung)
Wie entsteht die HSP?
Forschung und Genetik – Stand der Medizin
HSP-Erkrankungen werden durch Veränderungenin der Erbsubstanz, in der DNA, verursacht. Allerdings gibt es nicht einen bestimmten Gendefekt, der zur HSP führt, sondern viele verschiedene. Und so ist die HSP eigentlich auch nicht eine Erkrankung, sondern eine Gruppe von Erkrankungen, von denen jede durch Defekte in einem ganz spezifischen Gen verursacht wird. Die verschiedenen Unterformen der HSP werden, je nach dem ursächlichen Gen, durchnummeriert, beginnend bei SPG1 (Spastic Paraplegia Gene 1) bis aktuell SPG79. Darüber hinaus gibt es aber weitere Unterformen der HSP, für die keine SPG-Nummer vergeben wurde; diese werden meistens direkt nach dem assoziierten Gen benannt, z. B. POLR3A-assoziierte HSP.
Die häufigste Unterform der HSP ist die SPG4, die durch Veränderungen im SPAST-Gen hervorgerufen wird. In den allermeisten Fällen verläuft die SPG4 als sogenannte „reine“ HSP; Betroffene haben eine langsam fortschreitende Spastik und Schwäche der Beine und in manchen Fällen zusätzlich Blasen-, Erektionsstörungen (bei Männern) sowie leichte Gefühlsstörungen. Ebenfalls häufig in Deutschland ist die SPG7. Zusätzlich zu den
bei der SPG4 beschriebenen Symptomen haben Betroffene mit SPG7 oft deutliche Gleichgewichtsprobleme (Ataxie) und eine Feinmotorikstörung der Hände; auch Sprechen, Schlucken und Sehen können beeinträchtigt sein.
Diese Beispiele zeigen, dass die HSP, je nach zugrunde liegendem Gendefekt, ganz unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Daher ist es wichtig, möglichst bei jedem Betroffenen den Gendefekt zu finden, um bezüglich des weiteren Erkrankungsverlaufs beraten zu können und um zu verstehen, welche der beobachteten Symptome zur HSP gehören und welche davon unabhängig auf eine andere Krankheit hinweisen können.
In vielen Kliniken erfolgt sogar direkt eine Exomsequenzierung, in der alle 20.000 Gene des Menschen gleichzeitig sequenziert werden. So kann man den einmal erzeugten Datensatz in regelmäßigen Abständen wieder auf Veränderungen in inzwischen neu entdeckten HSP-Genen hin untersuchen, ohne dass neue „Sequenzierkosten“ entstehen. Mit modernen diagnostischen Methoden lässt sich inzwischen bei etwas mehr als der Hälfte aller HSP-Betroffenen eine genetische Diagnose finden.
Insgesamt sind aktuell gut 200 Gene bekannt, die Spastik verursachen, und ihre Zahl nimmt weiter beständig zu. Für die HSP wird daher – so auch die neuste Empfehlung des Europäischen Referenznetzwerkes für seltene Erkrankungen (ERN-RND) – keine Einzelgendiagnostik mehr angeraten. Vielmehr untersucht man heutzutage viele HSP-Gene gleichzeitig durch das sogenannte „next generation sequencing“ (NGS).
Wie wird die HSP vererbt?
Das Risiko für HSP-Betroffene, die Erkrankung auf leibliche Kinder zu vererben, hängt vom jeweiligen Gendefekt ab. Während es bei manchen HSP-Genen nahezu bei Null liegt, beträgt es bei anderen HSP-Genen etwa 50 Prozent. Hier ist also eine individuelle Beratung durch einen HSP-Spezialisten oder Humangenetiker notwendig!
Von Bedeutung ist, dass auch Betroffene, die keine weiteren Familienangehörigen mit HSP haben, unter Umständen die Erkrankung an ihre Kinder weitergeben können.
Die nächsten Schritte in der Forschung
Neben den aktuell verfügbaren Behandlungsmethoden werden mehrere Therapieansätze für die HSP erprobt, die darauf abzielen, die Auswirkungen der Gendefekte bei der HSP zu korrigieren. Diese werden in Modellsystemen, wie z. B. in Maus-Modellen oder Nervenzell-Kulturmodellen aus menschlichen Stammzellen, getestet.
Parallel ist es entscheidend, auf vielen Ebenen die Voraussetzungen zu schaffen, dass erfolgreich klinische Studien zur HSP durchgeführt werden können. Dies wird im Englischen als „trial readiness“ bezeichnet. Dazu gehört, dass verlässliche Daten über den Verlauf der verschiedenen HSP-Formen verfügbar sind. Hierfür müssen möglichst viele HSP-Betroffene in einem HSP-Register erfasst werden. Das deutschlandweite HSP-Register wird in Tübingen koordiniert; HSP-Zentren aus ganz Deutschland, die an das Forschungsnetzwerk TreatHSP (www.treathsp.net) oder das Netzwerk des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) angebunden sind, tragen Daten zum HSP-Register bei. Mithilfe des Registers können auch rasch diejenigen Betroffenen erreicht werden, die für eine klinische Studie infrage kommen.
Entscheidend ist aber auch, dass wir herausfinden, wie sich ein Therapieerfolg in einer klinischen Studie überhaupt messen lässt. Intensiv wird daher in Deutschland und an vielen anderen Stellen auf der Welt an sogenannten „klinischen Outcome-Parametern“ gearbeitet, die möglichst sensibel anzeigen sollen, ob eine Therapie anschlägt. Mögliche Outcome-Parameter sind neben der klinischen Untersuchung mit der Spastic Paraplegia Rating Scale (SPRS) auch sog. Biomarker in Blut oder Nervenwasser, spezielle Kernspin-Untersuchungen oder auch Sensor- oder Ganganalyse-basierte Verfahren.
Um diese speziellen Untersuchungsmethoden weiterzuentwickeln, sind wir auf die Mitarbeit von Betroffenen in regelmäßigen Kontrolluntersuchungen angewiesen. Nur wenn Ärzte, Wissenschaftler und Betroffene gut zusammenarbeiten, werden wir dem Ziel neuer Behandlungsmöglichkeiten für die HSP näherkommen. sollen, ob eine Therapie anschlägt. Mögliche Outcome-Parameter sind neben der klinischen Untersuchung mit der Spastic Paraplegia Rating Scale (SPRS) auch sog. Biomarker in Blut oder Nervenwasser, spezielle Kernspin-Untersuchungen oder auch Sensor- oder Ganganalyse-basierte Verfahren.
Autoren:
PD Dr. Rebecca Schüle
und Prof. Dr. Ludger Schöls
Neurologische Universitätsklinik
Tübingen
Was sind die Folgen von HSP?
Es gibt verschiedene Ansätze, wie man Menschen mit HSP therapeutisch unterstützen kann. Inwieweit sich diese Behandlungsansätze tatsächlich als hilfreich erweisen, muss individuell getestet werden, da sich die HSP bei jedem Betroffenen anders auswirkt.
Für Menschen mit chronischen Erkrankungen werden die jeweiligen Anwendungen von den Krankenkassen als „ausserhalb des Regelfalls“ (d.h. außerhalb des Arzt-Budgets) verschrieben. Dazu zählen im Falle der HSP:
Spastik
Unter Spastik versteht man eine erhöhte Eigenspannung der Muskulatur, die auf einer Schädigung der Motoneuronen in Gehirn und Rückenmark beruht. Als Motoneuronen werden Nervenbahnen bezeichnet, die den Muskel innervieren und zu einer Kontraktion stimulieren.
Dabei leitet das obere Motoneuron das Signal vom Gehirn in das Rückenmark weiter, wo es auf das untere Motoneuron übertragen wird, das letztendlich die Muskelkontraktion auslöst. In den unteren Motoneuronen laufen diverse Informationen aus dem Gehirn zusammen, deren Summe darüber entscheidet, in welchem Maße sich der Muskel schließlich zusammenzieht.
Bei der HSP kommt es zu einer fortschreitenden Degeneration der oberen Motoneuronen, also der vom Gehirn ins Rückenmark absteigenden Bahnen. Durch den Wegfall der modulierenden Signale aus dem Gehirn können insbesondere in den Muskeln der Beine schon bei den kleinsten Dehnungsreizen Kontraktionen ausgelöst werden. Dabei nimmt die Muskelanspannung umso mehr zu, je schneller der Muskel passiv oder aktiv gedehnt wird. Die Muskeln fühlen sich steif an. Damit verbunden ist auch eine gesteigerte Auslösbarkeit der Muskeleigenreflexe.
Störungen der Harnblasenfunktion
Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass ungefähr 70 Prozent der HSP-
Patienten urologische Beschwerden haben. Mehr als 25 Prozent berichten über zu häufige WC-Gänge, jeder Zweite über nicht zu unterdrückenden, schnellen Harndrang. Das führt dazu, dass ein Drittel der Betroffenen über regelmäßige oder situativ gelegentliche Inkontinenz-
episoden klagt.
Die neurologische Therapie zielt insbesondere darauf ab, die bestmögliche Mobilität der Patienten zu erreichen. Nicht wenige Betroffene leiden unter dem häufigen, nicht unterdrückbaren Harndrang und der Inkontinenz. Die Folge ist eine Einschränkung der sozialen Mobilität, vieles wird nicht unternommen, aus Angst, nicht rechtzeitig ein WC zu erreichen. Andere haben Probleme mit häufigen Harnwegsinfektionen und regelmäßigen Antibiotika-Einnahmen.
Neben typisch neurologischen Ursachen kommen die für die Bevölkerung typischen urologischen Erkrankungen infrage. Zu Letzteren zählen z. B. eine Prostatavergrößerung bei Männern oder eine Beckenbodenschwäche und Harnblasensenkung bei Frauen. Nicht selten liegt eine Kombination beider Ursachen vor.
Auch altersbedingte, nicht urologische Veränderungen müssen berücksichtigt werden. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass ab dem sechzigsten Lebensjahr zwei nächtliche Harnblasenentleerungen normal sind. Zu unterscheiden sind weiterhin Harnblasen-Entleerungsstörungen mit Restharnbildung (verbleibende Urinmenge in der Harnblase nach erfolgter Entleerung) und überaktive Harnblasen ohne Restharnbildung.
Eine besondere Form stellt die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie dar. Hierbei öffnet sich der Schließmuskel der Harnblase trotz starkem Harndrang nicht richtig, sodass der Harnstrahl nur verzögert, unterbrochen und durch starkes Pressen zustande kommt. Die Ursachen sind krankheitsbedingte Veränderungen im Rückenmark. Bleiben die jeweiligen Symptome und die Ursachen unbehandelt, so können irreversible anatomische und funktionelle Veränderungen der Harnblase und später auch der Nieren auftreten, welche nur ungleich schwerer zu therapieren sind.
Eine wichtige Voraussetzung für alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ist der Leidensdruck und damit die Therapiebereitschaft der Betroffenen. Leider begeben sich nicht alle Patienten mit urologischen Beschwerden frühzeitig in ärztliche Behandlung, sondern behelfen sich mit Schutzhosen und Vorlagen. Verschlechtert sich das neurologische Krankheitsbild oder geht die Selbstständigkeit verloren, so werden die Harnblasen- und Darmprobleme noch bedeutungsvoller und belasten verstärkt auch die Angehörigen und deren Alltag.
Die ärztliche Diagnostik beinhaltet den Ultraschall und eventuell eine Harnstrahlmessung. Liegt eine Harnblasenent-
leerungsstörung mit Restharnbildung vor, so sollte bei neurologischen Patienten eine urodynamische Untersuchung erfolgen. Hierbei werden die Druckverhältnisse der Harnblase gemessen. Die optimale Untersuchungsmethode ist eine sogenannte Videourodynamik. Hierbei erfolgt eine Druckmessung bei gleichzeitigem Röntgen der mit Kontrastmittel gefüllten Harnblase. Insbesondere vor geplanten operativen Therapien können diese Untersuchungstechniken bei HSP-Patienten wertvolle Erkenntnisse liefern.
Eine wichtige diagnostische Maßnahme ist das Tagebuch zur Blasenentleerung, medizinisch Miktionsprotokoll genannt. Hierbei schreibt der Betroffene an zwei bis sieben Tagen und Nächten die Uhrzeiten und Mengen der einzelnen Harnblasenentleerungen zusätzlich zur Trinkmenge auf. Eine Harnblase kann (altersabhängig) zwischen 350 und 500 ml speichern und auch nahezu restharnfrei entleeren, über 24 Stunden sind ca. 1,5 l Urinausscheidung mittels acht WC-Gängen und eine Trinkmenge von 1,5 bis 2,5 l normal. Das Miktionsprotokoll sollte dem behandelnden Arzt vorgelegt werden, da hierdurch das Problem objektiver darzustellen ist. Auch nach Therapiebeginn kann so der Behandlungserfolg besser bewertet werden.
Nicht bei allen niedergelassenen Fach-
ärzten und urologischen Kliniken steht diese diagnostische Methode zur Verfügung, es besteht jedoch die Möglichkeit, sich in einem der neuro-urologischen Behandlungszentren vorzustellen, welche alle Erfahrung mit dieser Diagnostik und auch mit neurologischen Krankheitsbildern haben. Adressen dieser Zentren finden sich u.a. auf der Internetseite der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP, www.dmgp.de).
Keine sinnvolle Maßnahme stellt die drastische Reduktion oder Erhöhung der täglichen Trinkmenge dar. Diese sollte konstant zwischen 1,5 bis 2,5 l pro Tag liegen. Sinnvoll sind vorzeitige Harnblasenentleerungen, das bedeutet, dass der Urin bereits vor Auftreten des nicht unterdrückbaren Harndrangs ausgeschieden wird. Auch zweimalige Entleerungen im Abstand von ca. 30 Minuten, insbesondere vor Aktivitäten ohne günstige WC-Versorgung, können helfen, unangenehme Situationen zu vermeiden.
Im Rahmen der ärztlichen Versorgung und nach diagnostischer Abklärung kommen Medikamente (z. B. sogenannte Anticholinergika) in Betracht, welche die Speicherfähigkeit der Harnblase verbessern. Weitere Therapieschritte können Beckenbodentraining, Elektrostimulationen, Harnblaseninjektionen von Botulinumtoxin und der Selbstkatheterismus sein. Je nach Ursache sind auch operative Therapien in Erwägung zu ziehen. Bei kombinierten Harn- und Darmstörungen kann die Implantation eines Darm- und Harnblasenschrittmachers zum Erfolg führen.
Störungen der Darmtätigkeit
Zu diesem Thema gibt es bislang noch zu wenige Untersuchungen an HSP-Patienten. Die wenigen vorhandenen Studien berichten über eine Häufigkeit von ca. 15 Prozent chronischer Verstopfung (Obstipation), ca. 50 Prozent Blähungen (Meteorismus, Flatulenz) und ca. 12 Prozent Stuhlinkontinenz. Nicht selten treten alle drei Symptome gleichzeitig auf.
Zumeist sind die Ursachen im Bereich des zu trägen linksseitigen Dickdarms und des Enddarms zu suchen, selten besteht eine Trägheit sowohl des Dünn- als auch des Dickdarms. Oft liegt ein spastischer, selten ein zu schlaffer Schließmuskel im Anusbereich vor.
Die meisten oralen Abführmittel wirken durch Volumenerhöhung und Wasserbindung im Dünndarm, allerdings oft erst nach zwei bis drei Tagen. Rektale Abführmaßnahmen (z. B. Klistiere, Zäpfchen) können den Ort der Verstopfung schneller erreichen und führen deshalb rascher zu einem Erfolg.
Das Ziel muss eine regelmäßige Darmentleerung sein, und zwar alle zwei bis drei Tage. Dies kann durch Anwendung beider Maßnahmen erfolgen.
Auch eine Anpassung der Ernährung ist sinnvoll. In Einzelfällen ist die Anwendung der Darmirrigation (mechanische Methode) indiziert. Alternativ zu Schutzhosen können Analtampons versucht werden.
Sexualität
Der Wunsch nach Sexualität und körperlicher Nähe wird in erster Linie im Gehirn ausgelöst. Es handelt sich dabei um ein Grundbedürfnis, das in seiner Art und Häufigkeit von Mensch zu Mensch verschieden ist. Je nach Alter liegt die Bedeutung der sexuellen Aktivität im Bedürfnis nach Lusterfüllung, Fortpflanzung und Ausleben der Partnerschaft. Sexualität ist neben dem Körperkontakt und der Sprache die wichtigste intime Kommunikationsform.
Eine sexuelle Störung der Betroffenen bezieht oft auch die Sexualität der Lebenspartner mit ein. Auch hier gilt, dass der Leidensdruck der Betroffenen und ihrer Partner ausschlaggebend für die Notwendigkeit einer Behandlung ist.
Die Ursachen für Luststörungen sind komplex, ohne sexuelle Lust (mediz.
Libidostörung genannt) ist eine Behandlung nicht wirklich erfolgreich. Leider findet auch innerhalb von Beziehungen nur selten eine ehrliche Kommunikation über die sexuellen Bedürfnisse der Partner statt, es tritt ein Vermeidungsverhalten ein, aus dem das Paar nicht immer alleine herausfindet. So wird aus einem Ausleben des Bedürfnisses nach Nähe nicht selten ein Verzicht auf ein Grundbedürfnis.
Potenzstörungen der Männer sind häufig gut behandelbar, auch für Lubrikationsstörungen (fehlende Feuchtigkeit der Scheide) gibt es Lösungen. Gerade wenn der Geschlechtsverkehr nicht mehr zu realisieren ist, sollte der sonstige Körperkontakt umso mehr gepflegt werden. Er gibt den Partnern ein wichtiges Körper- und Lebensgefühl.
Autor:
MBA, MPH Will N. Vance
Facharzt für Urologie
Neuro-Urologisches Zentrum,
Kliniken Beelitz GmbH
Spastik und Blasenproblematik
Spastik ist eine Muskelsteifigkeit, die durch eine Störung der Nerven im Gehirn und Rückenmark verursacht wird. Betroffene klagen z. B. über steife Beine nach langem Sitzen und häufiges Stolpern (Fußheber-Schwäche).
Etwa 60 bis 80 % der Personen mit einer Spastik sind zusätzlich von Blasenproblemen betroffen. Charakteristisches Symptom ist die sogenannte Dranginkontinenz, also ein unvermittelter, starker Harndrang bei gleichzeitig verzögerter oder inkompletter Blasenentleerung.
Die Störung der Blasenfunktion bei HSP-Patienten beruht darauf, dass die regulierenden Nervenbahnen ihre Aufgabe mit fortschreitender Erkrankung nicht mehr wahrnehmen können. Je stärker die Spastik ausgeprägt ist, desto häufiger treten Störungen der Blasenentleerung auf, wobei die Dranginkontinenz wiederum die Spastik steigert. Beide Symptome verstärken sich demnach gegenseitig und bewirken Not und Stress für den Betroffenen.
Bei manchen HSP-Erkrankten kommt es zudem vor, dass beim Wasserlassen auch der Reflex der Darmentleerung aktiviert wird. Obwohl sich die Regulationssysteme von Blase und Darm also nicht unbedingt voneinander trennen lassen, können Medikamente, die sich auf die Blase auswirken nicht gleichzeitig auch den Darm beeinflussen. Hierzu sind spezielle Therapeutika einzunehmen. Eine Behandlung durch einen Neurourologen ist daher dringend zu empfehlen.
Trotz der Grunderkrankung HSP kann somit jeder Betroffene ganz individuelle Begleiterscheinungen und Probleme haben. Eine abgesicherte Diagnose durch eine auf die speziellen Anforderungen abgestimmte Untersuchung sollte daher Grundlage jedes Therapieansatzes sein. Neben der Einnahme von Medikamenten können auch Entspannungstechniken (Krankengymnastik) bei Inkontinenz gute Hilfestellung leisten.
Behandlungsmöglichkeiten
Behandlungsmöglichkeiten bei Spastik und Blasenproblematik
- Krankengymnastik (Bobath, Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation/PNF, Vojta)
- Repetitives, aufgabenspezifisches Training
- Dehnen, Funktionstraining, Massage
- Wärme-/Kälte-Therapie, Fango, Infrarot, med. Bäder
- Elektro-Therapie (TENS, Interferenzstrom, Stangerbad, Vierzellenbad, FES)
- Injektionen von Botox (Beinmuskeln, Blase)
- Logopädie (wenn die Sprache betroffen ist)
Schmerz
HSP und Schmerzen
Um das Gute gleich vorneweg zu nehmen: Es gibt viele HSP-Betroffene, die keine Schmerzen haben! Falls jedoch Schmerzen vorliegen, so bezeichnet man diese als chronisch, sofern sie länger als sechs Monate andauern.
Speziell bei HSP können diese verursacht werden durch:
- Spastische Muskelanspannung
- Fehlbelastung der Gelenke und
Wirbelsäule - Arthrose
- Verspannungen der Rückenmuskulatur
- Bandscheibenschäden
- Fehl- oder Überlastung der
Schulter-/Nackenmuskulatur - Nervenwurzelreizung/-schädigung
- neuropathischer Schmerz
bei Neuropathie
Behandlungsmöglichkeiten bei HSP und Schmerzen
Krankengymnastik
Spastik-Minderung (Spasmolyse)
Funktionsverbesserung und -erhaltung
Optimierung der Koordination
Gelenk-Mobilisierung
Kontraktur-Aufdehnung
Erleichterung von Alltags­funktionen
Schmerzlinderung durch Wirkstoffe
Schmerzmittel:
- Ibuprofen
- Acetylsalicylsäure
- Diclofenac
- Paracetamol
- Metamizol
- Tetrahydrocannabinol (THC) – Dronabinol
- Cannabis Extra 7